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Geschichte

Murach und Niedermurach
Versucht man, der Geschichte des Ortes und der Gemeinde Niedermurach nachzugehen, wird einem alsbald deutlich, dass die Ursprünge zwar weit in die Jahrhunderte zurückreichen, ein zuverlässig bestimmtes Geburtsjahr aber nicht zu benennen ist. Alle nachweisbaren Daten lassen sicherlich einen noch weiter zurückreichenden geschichtlichen Werdegang mutmaßen, zu belegen allerdings ist dies nicht. Untrennbar jedenfalls ist der Ablauf der Geschehnisse mit Burg Murach (Haus Murach, Amt Murach) verknüpft.

Soweit man Turnierbüchern (Aufzeichnungen anlässlich von Wettkämpfen) Glauben schenken darf, wurde der Name Murach bereits 942 erstmals erwähnt. Auf einem Turnier zu Rothenburg ob der Tauber war angeblich eine "Jungfrau von Murach" gegenwärtig. 1019 wird ein "Endres von Murach" erwähnt.

Urkundlich nachweisbar erscheint der Name Murach zum ersten Male im Jahre 1110. Murach war vermutlich ein Grafensitz und kam auf unbekannte Weise unter die Herrschaft der Grafen von Sulzbach, wahrscheinlich als Belohnung von Kaiser Heinrich für Treue und tatkräftige Kriegsdienste. Als erster wirklicher Besitzer der Burg muss Berengar I. angesehen werden. Dieser war nachweislich am Kriegszug nach Rom beteiligt; unter seinen Begleitern stößt man auf einen gewissen "Gerunchde Mourach", den ersten Edlen, der sich "von Murach" schreibt. Von besagtem "Gerunch" stammen vermutlich die nachmaligen Freiherrn von Murach, ein altes Turniergeschlecht, das in der Spiegelgasse zu Regensburg seine Herberge hatte und erst im Jahre 1836 gänzlich erlosch. Sibot, ein Sohn Gerunchs, wird 1121 als Dienstmann des Grafen Berengar von Sulzbach mit dem Beinamen "Maria von Murach" aufgeführt.

Im Jahre 1158 fällt Murach den Ortenburgern (Istrien, Kärnten, niederbayerische Linie mit Stammsitz bei Passau) zu, nachdem der Mannesstamm der Sulzbacher (Gebhard II.) ausgestorben war und die Erbtochter Elisabeth den Grafen Rapoto I. von Ortenburg heiratete. Während die Sulzbacher Murach nur vorübergehend und zeitweilig besuchten und die Verwaltung lieber Pflegern überließen, die leider nicht immer zum Segen der Herrschaft und zum Wohle der dazugehörenden Bauern schalteten und walteten, war nunmehr Murach den Ortenburgern fast ständiger Wohnsitz. Etwa 100 Jahre lang wohnten nun die Ortenburger hier, und unter diesem Grafengeschlecht dürfte die Burg ihre höchste Blütezeit erreicht haben.

Rapoto I. kam im Jahre 1189 auf einem Kreuzzug mit Kaiser Friedrich Barbarossa im gelobten Lande um.

Murach fiel 1208 dessen Sohn Graf Heinrich zu. Im Jahre 1238 schenkt Graf Heinrich I. von Ortenburg seiner zweiten Gemahlin Reiza, einer geborenen Gräfin von Hohenburg (1266 im Kloster Kastl bei Amberg bestattet), und den mit ihr gezeugten Söhnen Gebhard, Diepold und Rapoto das Schloss Murach und alle dazugehörenden Leute und Güter.

Sofort nach dem Tode der Gräfin Reiza interessierte sich Ludwig der Strenge von Oberbayern für die Herrschaft Murach. Die drei Söhne Gebhard, Diepold und Rapoto gerieten zusehends in immer größere Geldnot. Nachdem Murach auf zwei Jahre bereits verpfändet war und die Differenzen zwischen dem Herzog und den Grafen immer größer wurden, wurde schließlich 1272 der ganze Besitz veräußert. Damit war praktisch Ludwig der Strenge Besitzer, da er durch diesen Erwerb das freie, volle Besatzungsrecht erhielt und die Burg nun mit von ihm selbst erwählten Burgmannen besetzen konnte; er zahlte an die drei Brüder eine jährliche Entschädigung von 30 Pfund Regensburger Pfennigen. Nachdem die beiden Brüder Gebhard und Diepold gestorben waren, bestätigte am 18. März 1285 in München Rapoto dem Herzog den Verkauf der Herrschaft Murach.

So kam Murach an Bayern. Das Geschlecht der Ortenburger auf Schloss Murach gehörte damit der Vergangenheit an.

Seitdem Murach herzoglich geworden war, saßen nur mehr landesherrliche Pfleger auf der Burg, die an Stelle ihres Herrn das Amt Murach verwalteten. Mit dem abziehenden Geschlecht der Ortenburger war auch der sesshafte Geist von dem Schloss gegangen.
Im Verlaufe des äußerst bewegten Schicksals der Burg wechselten die Besitzer sehr häufig. Burghüter verwalteten den Besitz. Im Zuge des Hausvertrages von Pavia fiel 1329 die Burg Murach mit etwa der westlichen Hälfte des ehem. Gebietes des Landratsamtes Oberviechtach der Pfalz zu. Nachdem die Herrschaft Murach vorübergehend kurz der böhmischen "Hausmacht" unter Karl IV. zugefallen war, wurde sie wiederum pfälzisch. Im 16. Jahrhundert wurde das ganze Gebiet des Landratsamtes Oberviechtach (seit 1. 7. 1972 zu Schwandorf gehörig) kurpfälzisch.

Mit der Überlassung der Oberpfalz an den Kurfürsten Maximilian I. von Bayern wurde Murach wieder bayerisch. (Als Kaiser Ferdinand den "Winterkönig" Friedrich (von der Pfalz) auf dem Weißen Berg bei Prag entscheidend geschlagen hatte, schenkte er Maximilian I. als Anerkennung für seine erhebliche Unterstützung (Feldherr Tilly) die "Obere Pfalz").

Zu dieser Zeit bestand mit Sicherheit schon ein Dorf "Niedermurach", das seinen Namen wohl nur von der niedrigeren Lage gegenüber Haus Murach (Obermurach) haben konnte. (Haus Murach = hus Murach ist eine Bezeichnung, die vielfach gerne für eine vornehme Burg (burc) gebraucht wurde, d. h. für besondere Festigkeit und massive Bauweise).

Niedermurach war von den sieben Rittersitzen, die zur Herrschaft Murach gehörten, der Bedeutendste. Im Laufe der Geschichte finden immer wieder die Freiherrn Murach von Niedermurach Erwähnung. Wie weit der genaue Ursprung zurückgeht, weiß man nicht. Sicher ist jedoch, dass bereits im "Paulsdorfer Lehensbuch" aus dem Jahre 1423 Niedermurach als Sitz einer Pfarrei erwähnt wird, Hieraus darf man wohl auf eine wesentlich frühere Entstehungszeit schließen. Unumstritten ist auch, dass im 16. Jahrhundert die Herren von Murach im Schloss zu Niedermurach residierten, das 1865 von einem Brand heimgesucht und nachher nur in geringerer Höhe wieder erstellt wurde. (Auf dem Platz des vormaligen Schlosses steht heute das 1972 neu erbaute Anwesen Pirzer mit Gaststätte und Metzgerei).

Ebenfalls sicher nachzuweisen sind Schloss und Dorf Niedermurach seit 1581. In der Grenzbegehung des Pflegeamtes Murach ist folgende Feststellung enthalten:

"Nideren Murach Schloss und Dorf ist eine beständige Hofmark, soweit sich die Ettern (= Dorfbann) erstrecken, dieser Zeit (=jetzt) durchaus Thomas Philipp von Murach zugehörig außer vier Mannschaften so zum Ambt Neunburg, und weiterer zwei Mannschaften zu dieser Zeit Otto von Ebleben zugehörig seindt."

1530 hat es in Niedermurach eine Tafernwirtschaft und ein Brau- und Malzhaus gegeben, wobei die Landgrafen von Leuchtenberg eine Rolle spielten. Ein gewisser Stefan Heussen, Wirt auf der Ehetafern Niedermurach, durfte das gebraute Bier "unter dem Reifen" verkaufen, dazu auch Wolle, Schmalz und andere Artikel. Besagter Besitz wurde 1554 an Hans Sunleutner weiterveräußert.
Streitigkeiten wurden damals in Amberg ausgetragen. Dort sind z. B. noch Gerichtsakten aus dem Jahre 1566 vorhanden. Zwei Niedermuracher Wirten ist damals in einem Vergleich gestattet worden, jährlich 4 Gebräu Bier "zu tun und auszuschenken". Sie durften es aber nicht fassweise verkaufen oder gar ausführen.

Dass zwischen den Niedermurachern und den Obermurachern nicht immer bestes Einvernehmen bestand, weiß ein Spruchbrief "Richtung zwischen Pfalzgraf Ludwig und Murachern von wegen eines Totschlages mit Namen Wilhelm Muracher de anno 1448" zu berichten. Darin wird ein sehr interessantes kulturhistorisches Bild einer Fehde zwischen Haus Murach und Niedermurach und der hierauf erfolgten Sühne, nämlich Stiftung von Messen, Gottesdiensten und Marterkreuz, gezeichnet.

Unserer Phantasie bleibt es vornehmlich überlassen, sich auszumalen, welch schlimme Erfahrungen die Einwohner von Niedermurach mit den mordenden und brandschatzenden Ostvölkern, vor allen den Hussiten, haben machen müssen. Mit großer Wahrscheinlichkeit flüchteten sie bei drohender Gefahr, soweit das befestigte Schloss im Dorf selbst nicht genügte und es die Zeit erlaubte, auf die äußerst wehrhafte Trutzburg Murach, namentlich 1428, 1431 und 1433.

"Sie zogen gen Murach für das Haus, Man schoß und wurf zu ihnen heraus Mit Büchsen und mit Pfeilen, Sodaß die bösen Husserer Von dannen mussten eilen."

Die Hussiten kamen nicht ohne ersichtlichen Grund. Es war zu jener Zeit von dieser Gegend eine Menge zu holen: die Oberpfalz stand in ihrer größten Blüte und war damals die reichste Provinz Deutschlands.

Erst 1443 konnten die Hussiten bei Hiltersried vernichtend geschlagen werden (unter Führung von Pfalzgraf Johann von Neunburg).
Die Niedermuracher mussten sicherlich auch das sinnlose Niederbrennen und Rauben, eine Zerstörung um jeden Preis erleben, das der unheilvolle Landshuter Erbfolgekrieg mit sich brachte. (Kampf zwischen der bayerischen und pfälzischen Linie der Wittelsbacher) Der 30-jährige Krieg mit seinen bitteren Geschehnissen setzte unserer Heimat ebenfalls sehr zu (teilweise Zerstörung der Burg Murach), und unter der Parole "Lieber bayrisch sterben als in des Kaisers Unfug verderben!" waren beim Oberpfälzer Bauernaufstand im Jahre 1705/06 Angehörige des Amtes Murach als Rädelsführer maßgeblich beteiligt, als im spanischen Erbfolgekrieg die Österreicher die Oberpfalz hart bedrückten. Der Anstiftung verdächtig waren: der Sohn des Bauern Georg Meyer aus Nottersdorf, der Sohn des Hans Gerber aus Niedermurach, die beiden Söhne des Hans Schneeberger aus Wagnern, die Söhne des Andreas Brunner aus Obermurach, der Knecht des Wirtes Albang Ulrich aus Obermurach, der Sohn des Wirtes Hammerer aus Obermurach und der Sohn des Sebastian Frei aus Braunsried. Man verhaftete sie und verbrachte sie nach Amberg. Die Väter mussten eine schwere Geldstrafe von 1.000 Talern zahlen.

Herren von Murach bekleideten bei anderen Landesherren hohe Ämter. Franz Chr. Freiherr von Murach starb 1770 als General von Kurtrier und Kommandant der Festung Ehrenbreitstein. Mit Georg Karl Theodor von Murach, der in Neunburg vorm Wald lebte und 1836 starb, erlosch dieses Geschlecht.

Die Landgemeinde Niedermurach unterhielt wie Gemeinden ähnlicher Größe eine sparsame und doch wirkungsvolle Verwaltung. Vor rund 125 Jahren schloss der gesamte Haushalt mit einem Betrage von rund 50 Gulden ab.

Nach dem zweiten Weltkrieg erwuchsen der Gemeinde große Sorgen. Zahlreiche Heimatvertriebene hatten im Ort Zuflucht gefunden. Im Laufe der Zeit wanderten die meisten auf der Suche nach Arbeit wieder ab.

Die Regierung von Niederbayern und Oberpfalz hatte am 12. Januar 1948 die gesamte Gemeinde Rottendorf aufgelöst und nach Niedermurach eingemeindet. Von anderen Gemeinden wurden Teile eingegliedert, so die Ortsflur der aufgelösten Gemeinde Nottersdorf, ferner die Ortsfluren Sallach und Schwaighof der aufgelösten Gemeinde Wagnern. Aus ursprünglich 350 Einwohnern von Niedermurach waren nun plötzlich 900 geworden. Da sich die Bevölkerung der aufgelösten Gemeinden dagegen aussprach, wurde die Auflösung wieder rückgängig gemacht. Somit War die Größe der Gemeinde Niedermurach auf den ursprünglichen Umfang zurückgeführt.

Am 1. 1. 1972 wurden im Rahmen der freiwilligen Bestandsänderung die Gemeinden Nottersdorf (189 Einw.) und Wagnern (178 Einw.) in die Gemeinde Niedermurach eingegliedert. Vordem zählte Niedermurach 456 Einwohner.

Zum 1. 7. 1972 wurde die freiwillige Eingliederung von Pertolzhofen (326 Einw.) und Rottendorf (298 Einw.) wirksam. Mit der gleichzeitigen Auflösung des Landkreises Oberviechtach wurde der größte Teil des Kreisgebietes und mit ihm die Gemeinde Niedermurach dem neu gebildeten Landkreis Schwandorf zugeteilt. Zum Bürgermeister war am 11. Juni des gleichen Jahres Konrad Zeitler von Rottendorf gewählt worden. Er löste Josef Niederalt ab, der ununterbrochen seit 1945 dieses Amt bekleidet hatte und sich dieser Wahl aus Altersgründen nicht mehr stellte.

Am 1. 1. 1974 wurde die Rechtsverordnung der Regierung der Oberpfalz über die Bildung der Verwaltungsgemeinschaft Oberviechtach wirksam, zu deren Mitgliedern neben den Gemeinden Gleiritsch und Teunz sowie dem Markt Winklarn auch die Gemeinde Niedermurach zählt.

Quelle:
Festschrift zur Fahnenweihe mit Heimatfest des Schützenvereines "Murachtaler Schützen" vom 25. bis 29.07.1974 - Verfasser des Artikels in der Festschrift: Michael Reitinger

Der Weg zur großen Gemeinde Niedermurach - Eine geschichtliche Betrachtung - von Rudolf Weiß

Eine geschichtliche Betrachtung

Gehören wir zusammen? Passen wir zusammen? So hat sich mancher gefragt, als um 1970 die bayerische Gemeinde- und Landkreisreform durchgeführt wurde und feststand, dass die Gemeinden Pertolzhofen, Wagnern, Nottersdorf und Rottendorf und auch Niedermurach ihr Eigenleben aufgeben sollten und zu einer größeren Einheit, der Großgemeinde Niedermurach, zusammenwachsen sollten. Mittlerweile hat die Zeit gelehrt, dass es gut ging.

Ein geschichtlicher Rückblick soll nun zeigen, wie nah oder fern sich die einzelnen Dörfer und Gemeinden in den vergangenen Jahrhunderten waren. Dabei müssen wir verschiedene Epochen und Verwaltungsebenen (Hoheitsbereiche) berücksichtigen.


I.

Als im Jahre 919 das 1. Deutsche Reich gegründet wurde, als 929 König Heinrich I. von einem Feldzug gegen Böhmen zurückkehrte und in Nabburg eine Urkunde siegelte, da gehörte unser heutiges Gemeindegebiet sicher zum Deutschen Reich. Und so blieb es bis in die Gegenwart. Ob 919 in unserem Gemeindegebiet sich eine Siedlung befand, hat die Forschung bisher nicht beweisen können (Ausgrabungen belegen sechs Kilometer westlich, an der Schwarzach bei Zangenstein, germanische Reihengräber aus dem 8. Jahrhundert. Die geschichtliche Hilfswissenschaft setzt die Gründung von Orten mit der Ortsnamenendung -hofen um 900, mit der Endung -dorf etwas später an. Auch das Martinspatrozinium (Niedermurach) wird allgemein als Zeichen für ein sehr hohes Alter der Kirche (karolingisch!) angesehen.).

II.

Bei der Reichsgründung 919 war Deutschland in Herzogtümer eingeteilt. Unsere heutige Oberpfalz trug damals den Namen Nordgau; nach einem Aufstand des Bayernherzogs Heinrich des Zänkers 976 erlangte dieser Nordgau weitgehende Unabhängigkeit von Bayern. Im Nordgau herrschte das Grafengeschlecht der Schweinfurter, das neben dem Nordgau noch reichen Besitz im heutigen Oberfranken, im Radenzgau, hatte.

1002 starben die Ottonenkönige in direkter Linie aus; König wurde aus der ottonischen Seitenlinie der Bayernherzog Heinrich II., später der Heilige genannt. Gegen ihn erhob sich der Herr des Nordgaus, Heinrich der Schweinfurter. Ein Reichsheer zerstörte dessen Hauptburgen Ammerthal bei Amberg und Creußen in Oberfranken (Karl Bosl, Geschichte Bayerns 1, 1952, Seite 60). Der Nordgau wurde aufgelöst. Aus den Teilen entstand eine Vielzahl von kleinen Grafschaften. Eine davon gehörte den Ortenburgern mit der Burg Murach. Unser Gemeindegebiet war ortenburgisch geworden.

Seit 1180 regierten in Oberbayern und Niederbayern die Wittelsbacher. Durch Heiratspolitik (Lengenfeld), Kauf und Machtdruck erwarben sie große Teile des Nordgaus, unter anderem 1268 auch das Gebiet der Ortenburger um die Burg Murach (Herzog Ludwig II. kaufte 1268/72 Burg Murach und Markt Oberviechtach von den Ortenburgern. Siehe bei: Andreas Kraus, Das Herzogtum der Wittelsbacher. Die Grundlegung des Landes Bayern. Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst 1180-1350, München 1980, Seite 192).

III.

Die Wittelsbacher organisierten ihren Besitz im Nordgau: sie bildeten Pflegämter, von einem Beamten - dem Pfleger - verwaltet. An der Spitze der wittelsbachischen Besitzungen im Nordgau stand der Vitzthum, Stellvertreter des Herzogs; anfangs hatte er seinen Sitz in (Burg-)Lengenfeld, ab 1329 in Amberg (Bosl, a. a. 0., Seite 121). Unser Gemeindegebiet war geschlossen im wittelsbachischen Pflegamt Murach im Nordgau.

IV.

Bei der Teilung der wittelsbachischen Erblande im Hausvertrag von Pavia kam der Nordgau zur Pfälzer Linie; das Pflegamt Murach wurde mit anderen Gebieten zum Kurpräzipuum erklärt und durfte von der Kurwürde nicht getrennt werden (Alois Gerlich, Die rheinische Pfalzgrafschaft in der frühen Wittelsbacherzeit, Beiträge zur Bayerischen Geschichte und Kunst 1180-1350, München 1980, Seite 216). Unser Gebiet war nun kurpfälzischer Besitz. (Neben dieser Kurpfalz gab es im Nordgau noch die Herzogtümer Pfalz-Neuburg, Pfalz-Sulzbach, die Landgrafschaft Leuchtenberg, die Herrschaft Störnstein, den Bischof von Regensburg für Hohenburg und den Bischof von Bamberg für Vilseck als Landesherrn).

Mit der Kurpfalz sollte unser Gebiet auch die verschiedenen Glaubenswechsel mitmachen. Da die beiden Hofmarksherren von Niedermurach und Pertolzhofen aber zusammenhielten und sehr schlau ihre Position verteidigten, wurde die Pfarrei Niedermurach mit ihrer Filialkirche Pertolzhofen 1557 zwar lutherisch, nahm aber nie das calvinistische Bekenntnis an, obwohl die Kurpfalz es die längste Zeit als Staatsreligion vorschrieb (Rudolf Weiß, Kirchengeschichte von Pertolzhofen, veröffentlicht im Pertolzhofener Liebfrauenboten 1962-1966; als Manuskript im Heimatbuch von Pertolzhofen, im Staatsarchiv Amberg und beim Historischen Verein der Oberpfalz in Regensburg).

Im Dreißigjährigen Krieg, 1628, wurde die Oberpfalz bayerisch, nachdem es der Bayernherzog Maximilian schon 1621 besetzt hatte. Die Pfarrei Niedermurach mit ihrer Filialkirche Pertolzhofen musste wieder katholisch werden. Beide Kirchen wurden vom katholischen Pfarrer Schmidt aus Oberviechtach rekatholiziert. Beide Hofmarksherren wurden nicht katholisch, sondern verließen ihre Hofmark. Verwandte gleichen Namens führten die Adelsherrschaft in Niedermurach und Pertolzhofen fort (Rudolf Weiß, Kirchengeschichte von Pertolzhofen, veröffentlicht im Pertolzhofener Liebfrauenboten 1962-1966; als Manuskript im Heimatbuch von Pertolzhofen, im Staatsarchiv Amberg und beim Historischen Verein der Oberpfalz in Regensburg).

V.

Die bisherige Darstellung umfasst im wesentlichen den Weg, den unser Gebiet innerhalb der Reichs- und Landesgeschichte mitmachte. Eine entscheidende Rolle im Leben der Bevölkerung spielte der schon erwähnte Ausbau der Verwaltung durch die Wittelsbacher. Dem Stellvertreter des Herzogs, dem Vitzthum, unterstanden die Landrichter; der für unsere Gegend hatte seinen Sitz in Neunburg. Der iudex, Landrichter, hatte in der Regel sämtliche staatlichen Rechte in seiner Hand, nur bei größeren Amtsbezirken stand neben dem Landrichter auch der Landpfleger, der die Verwaltung und das Landesaufgebot unter sich hatte. (Sitz ursprünglich auf Burg Murach, später im Markt Oberviechtach).

Dem Pfleger zugeordnet waren Amtsleute, welche die Abgaben einzuheben hatten, die Grunddienste und Zehenten, die Zölle und Mauten. Der Landrichter war Nachfolger des Grafen mit all seinen Befugnissen. Er war Richter über das Land und über Gut und Eigen, sorgte für Einhaltung des Landfriedens und zog die Untertanen zu Reis und Scharwerk, zum Kriegsdienst mit der Waffe oder zu Hand- und Spanndiensten heran. Die niedere Gerichtsbarkeit übte er nur in den unmittelbaren Grundherrschaften des Landesherrn aus ... (Andreas Kraus, Geschichte Bayerns, München 1983, Seite 127).

Soweit waren im Mittelalter und in der Neuzeit bis spätestens 1848 die Einwohner unserer jetzigen Großgemeinde unter der gleichen Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Als 1862 in Bayern die Bezirksämter errichtet wurden und ihre Trennung von den Landgerichten erfuhren, gehörte unser Gebiet zum Bezirksamt Neunburg vorm Wald. 1900 wurde das Bezirksamt Oberviechtach aus 37 Gemeinden des Bezirksamts Neunburg vorm Wald gebildet( E. Emmerig, Entwicklung der staatlichen Verwaltung der Oberpfalz von Montgelas bis heute. Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, 1974, Seite 305 f). Wieder waren alle Gemeinden des heutigen Verwaltungsgebietes beisammen.

VI.

Und dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied. Im Mittelalter gab es auf dem Lande Adelssitze, deren Inhaber im Laufe der Zeit für sich und ihren Besitz Privilegien erreicht hatten. Die Hofmarksherren hatten im Spätmittelalter und vor allem seit dem 16. Jahrhundert weitgehende Rechte über ihre Untertanen erreicht: die Niedergerichtsbarkeit, die Einrichtung von Tafernen, das Setzen von Handwerkern, das (notarielle) Siegelrecht, das Patronatsrecht über die Kirche, das Recht des dreitägigen Festhaltens und Untersuchens von Eigenleuten bei hochgerichtlichen Fällen ( Rudolf Weiß, Die Entstehung der Hofmark Pertolzhofen. Ein Beitrag zur oberpfälzischen Hofmarksgeschichte. Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, 1974, Seite 291 ff).

Galten alle diese Rechte nur für die geschlossenen Hofmarken Pertolzhofen und Niedermurach, so war doch auf den Bauerndörfern draußen die Macht des Pflegers bzw. Landrichters eingeschränkt bei den Bauern, die eines Adeligen Grundholden waren.
Für unser Gebiet ergibt sich daraus folgendes verwirrendes Bild: Pertolzhofen zählte 19 Haushaltungen, die ohne Ausnahme dem Adelsherrn von Bertoldshofen unterstanden, von ihm oder seinem Richter im niederen Gericht abgeurteilt wurden, ihm die vorgeschriebenen Abgaben an Getreide und lebendem Getier ablieferten, für ihn Scharwerk mit der Hand oder Gespann bei Aussaat, Ernte und Bau an Schlossgebäuden leisteten. Der Bertoldshofer besaß weitere Untertanen: in Höflarn einen, Braunsried einen, Nadersdorf (= Nottersdorf) einen, Zankendorf drei, Enzelsberg einen, Wagnern fünf, Niedermurach einen, Rottendorf drei, Vockendorf zwei = insgesamt 37 Untertanen.

Der Hofmarksherr von Niedermurach besaß 37 Untertanen in seinem eigenen Dorf, einen in Weichelau, zwei in Vockendorf, einen in Dietersdorf und acht in Gartenried, zusammen 49 Untertanen.

Aber auch der Hofmarksherr von Fuchsberg nannte Bauern unseres Gebietes sein eigen: zwei in Nottersdorf, einen in Schwaighof, sechs in Rottendorf, drei in Vockendorf, drei in Dietersdorf, drei in Antelsdorf, zusammen 18 Untertanen. Der adelige Thannsteiner verfügte über folgende Untertanen in unserem späteren Gemeindegebiet: einen in Wagnern, drei in Niedermurach, zwei in Vockendorf, zusammen sechs Untertanen.

Diese 110 Herdstätten unterstanden Adelsherrschaften. (Es können mehr adelige Untertanen gewesen sein, weil die benützten Akten nur die Adelssitze innerhalb des Pflegamts Murach enthielten).

Diesen Untertanen der Hofmarken standen die Bauern und Hausinwohner gegenüber, die über sich nur den Pfleger bzw. Landrichter hatten; sie wurden früher Pfalz Untertanen, später direkt dem bayerischen Kurfürst untertan genannt. Es waren dies: in Mantlarn vier, Höflarn vier, Braunsried drei, Nottersdorf sechs, Zankendorf vier, Enzelsberg neun, Wagnern sieben, Weichelau zwei, Altweichelau zwei, Sallach drei, Rottendorf neun, Vockendorf vier, zusammen 57 Herdstätten ( Herdstättenbeschreibung des Pflegamts Murach, 1630, Staatsarchiv Amberg (Anmerkung des Verfassers: In Mantlarn z. B. besaß das Kloster Schwarzhofen zwei Höfe)).

Kennzeichnend war also jahrhundertelang eine große Zersplitterung der Herrschaftszugehörigkeit. In Vockendorf befehligten fünf verschiedene Herren über 13 schollengebundene Bauern. Im Gerichtswesen konnten die Bauern von Vockendorf bei gleichen einfachen Vergehen vor fünf verschiedene niedere Gerichte kommen, nämlich das jeweilige Hofmarksgericht ihres adeligen Herrn; die vier bayerischen Untertanen, die direkt dem Kurfürsten gehörten, hatten vor dem niederen Gericht des Pflegers zu erscheinen.

Bei so großer Zersplitterung gab jedoch in wichtigen Dorfangelegenheiten der vom Pfleger aufgestellte Dorfhauptmann oder Obmann den Ausschlag (z. B. bei Flurzwangfragen und der Dreifelderwirtschaft).

Für Wagnern schrieb 1590 der Pfleger an die Regierung in Amberg, er besitze im Dorf Wagnern alle Hohe Gerichtsbarkeit, die Hauptmannschaft, den Hirtenstab und die Gemeinherrschaft sambt sechs Unterthanen zum Amt gehörig (Amt Murach, fasc. 128, Staatsarchiv Amberg). Über das ganze Dorf übte der Pfleger also die Halsgerichtsbarkeit aus (Gericht über todeswürdige Verbrechen), er hob die waffenfähigen Männer aus und befehligte sie, unter seiner Aufsicht wurde der Dorfhirte eingesetzt, er überwachte die Dorfgemeinschaft und den Flurzwang. Hans Sigmund von Bertoldshofen hat zween, Otto von Ebleben auf Thannstein einen, die Niedermurachische Vormundschaft hat drei Huben.

VII.

Als Folge der Französischen Revolution und der Napoleonischen Kriege begann Bayern, 1806 Königreich geworden, unter seinem leitenden Minister Montgelas eine große Gebietsreform. Dabei wurden ohne Mitwirkung der Bauern die politischen Gemeinden gebildet. Um die Steueraufbringung zu erleichtern, hatte man schon vor Erlass des Gemeindeedikts die provisorische Bildung von Steuerdistrikten verfügt. Diese Steuerdistrikte wurden durch Zusammenschluss mehrerer Höfe gebildet, wobei möglichst vier Distrikte auf eine Quadratmeile fallen sollten, ohne Rücksicht auf vorhandene Einrichtungen, nämlich Hofmarken, Pfarr- und Schuldistrikte. Professor Andreas Kraus nennt diese Gemeindebildung eine völlige Missachtung des geschichtlich Gewordenen (Andreas Kraus, Geschichte Bayerns, München 1983, Seite 422).

Dass also eine Gemeinde Nottersdorf (jahrhundertelang hieß das Dorf Nadersdorf, natürlich Nodersdorf gesprochen) aus den Dörfern Zankendorf, Braunsried, Höflarn und Nottersdorf gebildet wurde, war reine Willkür der Verwaltungs- und Steuerbeamten in Neunburg vorm Wald. Jede andere Kombination von Dörfern wäre möglich gewesen, nur nicht mit Pertolzhofen oder Niedermurach, weil dort noch die Adelsherrschaft mit der niederen Gerichtsbarkeit nicht überwunden war. Und diese sollte nicht gestärkt werden(Rudolf Weiß, Pertolzhofen - Ende einer Hofmark, Entstehung einer Gemeinde. Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg, 1972, Seite 289 ff).

Der in Neunburg vorm Wald eingegangene Königliche Auftrag hatte folgenden Wortlaut: Gesetz des Königs Max Josef vom 23. Juni 1818: Bildung der Gemeinden soll durch die Polizeibehörden der Städte, Märkte und des offenen Landes ungesäumt vorgenommen werden. In gemischten Bezirken steht die Bildung der Gemeinden denjenigen Behörden zu, welche die Gerichtsbarkeit über die Mehrzahl der darin befindlichen Grund- und Steuerbaren Untertanen besitzen ... IV. Bildung der Rural-Gemeinden: Hierbei ist jedes Dorf, dessen Bewohner bisher schon eine für sich bestehende Körperschaft mit eigenem Gemeindevermögen und mit besonderen Gemeinderechten ausgemacht haben, als eine besondere Gemeinde zu behandeln und zu bezeichnen.Aus einzelnen Dörfern, welche kein eigenes Gemeindevermögen und keine eigenen Gemeinde-Rechte besitzen, aus einzelnen Höfen, Weilern, Mühlen, Häusern sollen ... besondere Gemeinden gebildet werden ...

In Neunburg stellte die Polizeibehörde ein Verzeichnis der im Landgericht Neunburg befindlichen Munizipal- und Steuergemeinden auf. Unter ihnen finden wir die

Gemeinden, Seelenzahl

Niedermurach, 61

Nottersdorf, 29

Obermurach, 42

Pertolzhofen, 27

Rottendorf, 46

Wagnern, 27

(Staatsarchiv Amberg, Landgericht ä. 0. Neunburg v. W., Nr. 354)

(Die Bezeichnung Seelenzahl ist natürlich irreführend. Es handelt sich um Steuerpflichtige oder Haushaltsvorstände).

Die neugebildeten Gemeinden waren willkürliche Bildungen. 1970 kam das Ende der kleinen Landgemeinden - von vielen Bürgern bedauert. Es hatte sich aber längst gezeigt, dass diese finanzschwachen Verwaltungsbezirke den modernen Aufgaben nicht mehr gewachsen waren.

Möge die neue Großgemeinde Niedermurach, in der es nur freie Bürgerinnen und Bürger gibt, blühen, wachsen und gedeihen! Das wünscht der Verfasser dieses geschichtlichen Überblicks, Rudolf Weiß (Adresse des Verfassers: Rudolf Weiß, Studiendirektor, Zeppelinstraße 13, 8450 Amberg).

Quelle:
Festschrift zur Fahnenweihe mit Heimatfest der FFW Niedermurach vom 31.05. - 03.06.1984 / Verfasser des vorstehenden geschichtlichen Überblicks in der Festschrift: Rudolf Weiß, Amberg)

Bürgermeister der Gemeinde Niedermurach

Alwang Jakob
1948 bis 1956
ehem. Gemeinde Nottersdorf

Baier Anton
1956 bis
ehem. Gemeinde Nottersdorf

Birner Johann
1946 bis 1954
ehem. Gemeinde Pertolzhofen

Birner Georg
1954 bis
ehem. Gemeinde Pertolzhofen

Zitzmann Thomas
1948 bis 1963
ehem. Gemeinde Rottendorf

Konrad Zeitler
1963 bis 1972
ehem. Gemeinde Rottendorf

Forster Wolfgang
1948 bis
ehem. Gemeinde Wagnern

Josef Niederalt
1946 bis
Gemeinde Niedermurach

Konrad Zeitler
1972 bis 1996
Gemeinde Niedermurach

Rainer Eiser
1996 bis 2014
Gemeinde Niedermurach

Martin Prey
seit 2014
Gemeinde Niedermurach

Kirchengeschichte Niedermurach

Schon im "Paulsdorfer Lehensbuch" aus dem Jahre 1423 wird Niedermurach als Sitz einer Pfarrei erwähnt. Wann die erste Kirche gotischen Stils errichtet wurde, ist nicht bekannt. Von diesem ursprünglichen Gebäude wurden einige Teile, so die gotischen Chorumfassungsmauern und der untere Teil des Turmes in den zweiten Bau, der jetzigen Pfarrkirche St. Martin, mit einbezogen. Die derzeitige Pfarrkirche wurde 1762/63 erbaut und 1774 eingeweiht. Das auf einer Erhebung gut zur Geltung kommende Gotteshaus gehörte ursprünglich zu dem nach Osten anschließenden früheren befestigten Rittersitz/Schloß (heutiger Bau Pirzer). Sie ist einer jener typischen oberpfälzer Kirchen, die oft an Burgenanlagen erinnern. Patronatsherr ist der bayerische Staat. Zur Straße hin befand sich der 1770 aufgelassene Friedhof.

Das Innere der Kirche besticht durch eine einheitliche Rokokoausstattung, Sinnbild heiterer, bäuerlicher Frömmigkeit. Ober dem Torbogen ist das Ehewappen des Freiherrn Josef Mathias von und zu Murach (gest. 1767) angebracht. Am Torbogen unten links und rechts sind Grabtafeln der Freiherrn von Murach befestigt (1806). Von der Lebensgeschichte und dem Tod des Kirchen-Patrons, des hl. Martin, wird in kleinen Szenen im Fresko des Chorraumes erzählt. Die Verklärung des volkstümlichen Heiligen hat 1762 ein Freskant Liedmann in die Decke des Hauptschiffes gemalt, ein Meister, der wohl aus dieser Gegend kam. Die Kirche ist zudem ein einziges, ja einzigartiges Grabmuseum der Herren von Murach und ihrer Ehefrauen, steinerne Chronik dieses berühmten Geschlechtes. 13 Grabtafeln und Wappen legen Zeugnis ab von deren einstiger Größe.

Am 13. Juli 1866 konnte das Gotteshaus nur durch das todesmutige Eingreifen der Oberviechtacher Feuerwehr im letzten Augenblick vor der Feuersbrunst gerettet werden.

Heute ist das 1973 äußerlich renovierte Gotteshaus mit seinen leuchtenden gelben und weißen Farben allseits weithin sichtbar und führt den kundigen Beschauer in Verbindung mit der sich noch immer trutzig und wehrhaft darstellenden Burg Murach weit zurück in längst versunkene Zeiten.

So besitzt Niedermurach ein schönes Zeugnis barocker Kunst, ein örtliches Kleinod, wie man es in dieser kargen Landschaft nur selten findet.

Quelle:
Auszug aus der Festschrift zur Fahnenweihe mit Heimatfest des Schützenvereines "Murachtaler Schützen" vom 25. bis 29.07.1974

Kirchengeschichte Pertolzhofen

Die Marienkirche zu Pertolzhofen bietet die Möglichkeit, die kirchenbauliche Entwicklung vom romanischen Ursprung bis in unsere Zeit zu verfolgen. Die erste Kirche gehörte zum Typ der romanischen Wehrturmkirchen, bei dem der untere Teil als Altarhaus und die oberen Stockwerke als Zufluchts- und Verteidigungsräume dienten. Der untere Teil des heutigen Turms stammt aus dieser Zeit um 1150 und bezeugt dies bis heute. Der ebenfalls im schlichten romanischen Stil gefertigte Taufstein wurde aufgrund seiner Bedeutung restauriert und dient in Zukunft wieder als Taufbecken in der Turmkapelle. In dieser Taufkapelle wurden gotische Fresken freigelegt. Dazu harmoniert das neu geöffnete gotische rechte Turmfenster gut. Erstaunlich ist, dass die kleine Glocke, eine Rarität aus dem 14 Jahrhundert, noch heute so klangvoll läutet. Die später barockisierte Marienstatue auf dem Hochaltar dürfte auch aus dieser Zeit stammen.

Die verschiedenen Grabsteine im Hauptschiff sind überwiegend aus dem 17. Jahrhundert. Von 1697 bis 1699 wurde die Kirche unter Beibehaltung des romanischen Ostturms durch Friedrich Ludwig von und zu Pertolzhofen größer neu erbaut. Der auch aus dieser Zeit stammende frühbarocke Hochaltar besticht durch seine Ausgewogenheit und hervorragende handwerkliche Verarbeitung. Er zeigt Maria mit dem Jesuskind, Joachim, Anna, die hl. Dreifaltigkeit sowie mehrere Engel. Neben weiteren Figuren entstand um das Jahr 1700 die formschöne Kanzel mit dem Erzengel Michael. Mit der Restaurierung erhielt die doppelstöckige Empore ihre barocke Urfassung zurück. Die zwei Seitenaltäre sind schon dem Rokoko zuzuordnen. Der gefällige Chorstuhl besticht in seinem Erscheinungsbild durch den schönen Muschelwerksrokoko. Eine Besonderheit stellt die Kümmernisfigur, rechts neben der Kanzel, im blauen Rock dar. Diese Art von Kruzifixen geht auf eine Darstellung in der Kathedrale von Lucca (Italien) zurück. 1796 entstand zum Dank an die Kriegsverschonung das sogenannte Franzosenbild durch Anton Merz. Der in unserer Region bekannte Maler erstellte zum 100-jährigen Kirchenjubiläum 1799 die farbenfrohen Deckengemälden. Hierzu ist folgendes überliefert:

„Zum 100 jähr. Jubiläum des Kirchenbaus wurde ein großes Fest gehalten. Papst Pius VI. erließ dazu einen Ablass. 20 000 Menschen haben in 14 Tagen in Pertolzhofen kommuniziert.“ Die zahlreichen Wallfahrtskerzen in der Taufkapelle bezeugen, dass Pertolzhofen zu dieser Zeit ein gern besuchter Wallfahrtsort war. Oberviechtach zum Beispiel legte ein Wallfahrtsgelübde ab und erfüllte dies 222 Jahre lang. 1914 wurde die jetzige Sakristei neu gebaut. Ein Jahr später wurde eine neue Orgel unter Beibehaltung des historischen Prospekts angeschafft. Ebenfalls in dieser Zeit erhielt die gesamte Kirche eine neubarocke Fassung, die bis 1971 das Erscheinungsbild der Marienkirche prägte. 1917 wurde die Kirchengemeinde zur Expositur ernannt und erhielt damit wieder die kirchlichen Rechte, die im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen waren.

Deckengemälde

Das Marienleben beginnt mit dem Hauptgemälde Tota pulchra es Maria... ganz schön bist Du, Maria, und kein Makel ist an Dir. Es ist das Patroziniumsbild; die Patronin der Pertolzhofener Kirche wurde seit Jahrhunderten die Schöne Maria genannt, Patrozinium ist am 8. Dezember, dem Tag der Unbefleckten Empfängnis Mariens. Das Bild in der linken Stichkappe über dem Beichtstuhl bezeichnet das Volk als »Maria im Badwannl«; es ist die Darstellung von Maria Geburt. In der Stichkappe über dem Eingang zum romanischen Turmgewölbe sehen wir die Darstellung Marias im Tempel. Maria opfert sich für den Tempeldienst. Ihre Eltern begleiten sie bis zu den Stufen des Tempels, sie allein steigt empor und wird vom Priester mit ausgebreiteten Armen empfangen. Bei diesem Bild fällt die Gestalt eines Mannes auf, der seitlich an der Brüstung lehnt und in keinem Zusammenhang mit der Handlung steht.

Wenn wir die Kirche betreten, so blickt der Mann im blauen Kittel auf die Eltern Marias, stehen wir im Chorraum, so schaut er auf das zweite Hauptgemälde im Gewölbe, Mariae Himmelfahrt. Der Maler Merz hat sich hier selbst dargestellt. Aber auch die Eltern Marias verändern ihre Haltung. Stehen wir am Eingang der Kirche, so sehen sie uns an, gehen wir zum Hochaltar, so folgen sie uns mit ihren Blicken. Merz wandte hier die im Barock beliebte Zentralperspektive an. Das Bild in der linken Stichkappe der Kirchenmitte fällt auf durch die Leichtigkeit der Bewegungen, die fast graziöse Formgebung: Mariae Verkündigung. Das Vorbild ist die Verkündigungsplastik von Ignaz Günther im Kloster Weyarn. Die Übereinstimmungen gehen bis ins Detail.

Über die Vermählung Mariens und den Besuch bei Elisabeth führt uns der Maler zum zweiten Hauptgemälde, Mariae Himmelfahrt. Maria schwebt, von Engeln begleitet, in den sich öffnenden Himmel, zurück bleiben die Jünger und ein leeres Grabtuch. Auf dieses zeigt ein Mann, der uns anblickt, wo immer wir uns im Kirchenraum aufhalten. Der thematische Abschluss der Lebensgeschichte Mariens war das Altarbild von der Krönung Mariens auf dem linken Seitenaltar. Das Bild wurde 1886 von Pfarrer Daubenmerkel ohne kirchliche Erlaubnis entfernt. Er wollte kein Mariengemälde auf dem Seitenaltar, »weil der Hochaltar schon Maria darstellt«. Sein Nachfolger ließ 1896 einen Großteil des Kirchengewölbes blau übermalen und mit Sternchen übersäen. Erst 1936 und 1972 konnten die Bilder wieder aufgedeckt werden.

Taufkapelle im Turm

Jahrzehnte lang war der über 800 Jahre alte romanische Taufstein unter der Emporetreppe versteckt, wo er als Weihwasserbecken diente. Im Zuge der Renovierung wurde des wertvolle Stück wieder seiner ursprünglichen Aufgabe als Taufstein zugeführt. Hierzu erhielt er in der Turmkapelle einen präsentativen Platz. Durch den Taufstein , der einen Sockel erhielt, und die gotischen Malereien im romanischen Gewölbe bekommt dieser Raum sein warmes südlich anmutendes Flair. Bei den Malereien wurde bewusst auf eine Rekonstruktion fehlender Teile verzichtet, um die Ürsprünglichkeit zu zeigen. Lediglich der Stier im Deckengewölbe wurde mittels Strichretusche rekonstruiert um dem Betrachter zu zeigen wie eine Retusche aussehen könnte.

Die Deckengemälde zeigen neben dem Stier noch einen Löwen und einen Adler. Im linken Gewölbebogen befand sich vermutlich eine Engel. An den Seitenwänden sind die verschiedenen Apostel zu erkennen. Die rechte Seitenwand war durch Nässe leider so zerstört, dass eine Freilegung nicht mehr möglich war. Besonders gut erhalten hat sich das Rankmuster hinter dem gegeiselten Jesus in der Fensternische. Erhabene Putzstellen sollen anzeigen das sich in diesen Bereichen leider keine Malereien mehr befunden haben. Die Farben für die Malereien stammen unter anderem aus Malachit, einem Halbedelstein. Dem aufmerksamen Betrachter fällt auf, dass das Apostelkreuz rechts unter der vorderen Mauernische auf einer anderen Putzschicht liegt. Vermutlich handelt es sich hierbei noch um die romanische Erstfassung aus der Erbauungszeit der ersten Kirche. Bei dem Pflaster handelt es sich, ebenso wie in der Sakristei um die alten Säulenhofer Platten aus der Kirche. Die alten Bodengrabplatten fanden hierbei auch wieder einen würdigen Platz.

Die hl. Kümmernis – eine Heilige oder Christus?

In Pertolzhofen befindet sich eine von nur drei Darstellungen der Hl. Kümmernis im nördlichen Altbayern. Es stellt sich hierbei die Frage weshalb wird eine weibliche Heilige als männlicher Christus dargestellt? Die Legende der Heiligen Kümmernis entstand bereits in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends. Demnach war sie die Tochter eines südländischen heidnische Königs, die von einem ebenfalls heidnischen Prinzen begehrt wurde. Sie lehnte aber als Christin den heidnischen Prinzen ab, und verlobte sich stattdessen mit Christus. Sie erbat sich von Christus einen Bart, um nicht mehr begehrenswert zu erscheinen. Die Bitte wurde ihr gewährt. Daraufhin ließ sie ihr Vater kreuzigen, damit sie wie Christus sterbe. Ursprünglich wird die Heilige als weibliche Figur am Kreuz oder fürbittend vor dem Kreuz Christi dargestellt.

Die Kümmernisfiguren in unserer Gegend entstanden aber im Barock / Rokoko (17. und 18. Jahrhundert). Sie wurden nach einem Kruzifix, an den Volto Santo, das heilige Antlitz Christi am Kreuz im Dom San Martino in Lucca (Italien) geschaffen. Der gekreuzigte Christus aus Lucca ist aber nicht, wie im Westen gewöhnlich üblich, nur mit einem Lendentuch bekleidet, sondern trägt ein langes Ärmelgewand, wie es bis zum 9.Jh. im Osten üblich war. Die langen Gewänder sowohl der weiblichen Heiligen als auch des Christus des Volto Santo und der große Zeitabstand haben wohl dazu geführt, dass die Heilige Kümmernis bei uns der männlichen Gestalt des Christus am Kreuz von Lucca nachempfunden wurde. Vielleicht ist es gerade dieses Paradoxon, dass eine weibliche Heilige männlich dargestellt wird, dass diese Skulpture so interessant macht.

Das Murach Lied

1.
Wald gekrönte steile Höhenzüge, schmucke Dörfer an dem sonngen Hang, und im Wiesengrunde zieht die Murach silberhell das tiefe Tal entlang.
Das ist mein Murachtal, das mir so sehr gefällt, es ist die Heimat, es ist meine Welt!

2.
Ernst und düster schaut von stolzer Höhe eine altersgraue Burg ins Land, jetzt verlassen von dem Stammgeschlechte, das mit ihr einst hoch in Blüte stand.
Das ist ...

3.
An den Wegen grüßen die Kapellen, und das Feldkreuz steht am Wiesenrain, wollen Zeugen gläubig guter Menschen und ein Gruß dem lieben Herrgott sein.
Das ist ...

4.
Auf der Scholle, die das Tal ernähret, sitzt ein kerngesunder Bauernschlag. "Bet, und arbeit" ist die alte Lösung, der die Menschen folgen Tag für Tag.
Das ist ...

5.
Geht ein Murachtaler in die Fremde, kehrt er gern zu kurzer Rast zurück; Väterbrauch und die Erinnerungen sind ihm immer neues Heimatglück.
Das ist ...

Wallfahrt zur schönen Maria in Pertolzhofen

Die Entstehung der Wallfahrt nach Pertolzhofen liegt im geschichtlichen Dunkel. Sie kann jedoch eindeutig ins Mittelalter gelegt werden. Die Ortslegende nimmt an, dass Berthold von Seinsheim den Ort gründete und zuerst am Zusammenfluss des Wolfsbaches mit der Murach eine hölzerne Kapelle errichten ließ, geweiht der Gottesmutter Maria .»Viele, von Vertrauen hingezogen, besuchten diesen heiligen Ort, und bald verbreitete sich der allgemeine Ruf bis in das benachbarte Böhmen so zwar, dass für die vielen Wallfahrer, deren Opfergaben so weit hinreichten, ein kleines Kirchlein mit einem massiven Turm erbaut werden konnte." Expositus Schraml gab 1876 in seinen Notizen für den Kirchenbau das Jahr 1322 an. Der Turm mit dem romanischen Kreuzgewölbe im Erdgeschoss ist jedoch 1150 entstanden. Es wäre denkbar, dass Schraml eine Quelle kannte, die auf einen Erweiterungsbau 1322 hinwies. Für die Entstehung der Marienwallfahrt ist kein Anlass, kein Wunder bekannt. Das Vorhandensein eines bedeutenden Marienbildes reichte in gotischer Zeit aus, Gläubige anzuziehen. Alle Urkunden geben der Filialkirche von Pertolzhofen den Namen »Zu unsrer lieben Frau« so auch die ältesten Kirchenrechnungen zwischen 1487 und 1514. 24 Jahre nach Einführung der Reformation in der Kurpfalz bereiste eine Visitation die landsässischen Pfarreien. Sie besuchte auch die Filiale Pertolzhofen, wo sie berichtete, dass »die Tafeln mit dem Frauenbild auf dem Altar sind, doch kann man sie zumachen. Außerdem ist ein Taufstein vorhanden...... « Der Bericht zeigt eindeutig, dass Pertolzhofen eine Marienwallfahrt besaß, die unter den edelmännischen Kirchen eine Sonderstellung einnahm. Der Umfang der Wallfahrt wurde als beträchtlich angesehen, der Kurfürst aufgefordert in diesem Sonderfall einzuschreiten. Für die Calvinisten war das Tun der Wallfahrer eine Versündigung.

Pfleger Wolfgang Pulnhover berichtete 1621 an den bairischen Kurfürsten Maximilian von einem Vorgang, der sich am Ende der calvinistischen Zeit ereignet hatte. Pulnhover wählte die Form eines amtlichen Protokolls. Er schrieb:

»Hans Thomas von und zu Bertoldshofen hat in seiner Hofmark eine Kapelle, ubi Beata Maria Virginis Patrona, dahin vorzeiten eine große Kirchfahrt gewest, welche bishero viel Lutherische besuchet.«

Damit ist die Wallfahrtstradition aus gotischer Zeit über die ganze Reformationszeit amtlich bestätigt. Der Pfleger berichtete anschließend, dass

»zwei Untertanen auf dem Berge Murach leben, deren Kinder mit der schweren Krankheit behaftet waren«.

In ihrer Not versprachen die beiden Bauern der Muttergottes von Pertolzhofen jedes Jahr ein schlichtes Opfer, wenn ihre Kinder geheilt würden. Und von Stund an hatten die Kinder keine Anfälle mehr. Doch mit der Zeit vergaßen die Bauern ihr Versprechen, sie brachten keine Gabe mehr zum Gnadenbild. Im selben Jahr setzte die Krankheit wieder ein...

»und so sie solches nicht kontinuiert (fortgesetzt), sind die Kinder bis zur wirklichen Ausrichtung des Opfers gemartert worden«.

Die Quelle beweist, dass auch Kranke nach Pertolzhofen kamen. Schon 1626 hatte Pfarrer Wolf aus Oberviechtach versucht, die Kirche in Pertolzhofen zu öffnen. Anlass dazu war ein Gelübde, das der Markt Oberviechtach ablegte. Als die Prozession vor dem acht Kilometer entfernten Dorf Pertolzhofen an der Grenze der Hofmark ankam, ließ Pfarrer Wolf die Gemeinde halten und schickte zwei Abgesandte nach Pertolzhofen, die Hans Thomas von Bertoldshofen freundlich erklären sollten, zu welchem End die Gemeinde gekommen sei, es werde weder Predigt noch Messe gehalten, sondern allein die Gabe Gott dem Allmächtigen aufgeopfert und ein Gelübde vollzogen. Der Junker möge ihnen eine halbe Stunde die Kirche vergönnen. Hans Thomas habe von dem Vorhaben der Oberviechtacher bereits einen Vorgeschmack gehabt und stand allbereit im Dorf neben seine Untertanen. Er empfing die Abgesandten mit

»gotteslästerlichem Fluchen, hunderttausend Sakrament, diesen verbis formalibus: der Pfaff möge draußen bleiben oder er wolle ihm die Kissen ausstauben, er wolle Leib und Leben bei ihm lassen, er soll nicht kommen, tot müsse er ihm haben.«

Pfarrer Wolf war in eine schwierige Lage geraten. Er sprach seinen Wallfahrern gut zu, sie möchten keinen Abscheu nehmen. Dann marschierte die Prozession auf Pertolzhofen zu. Auf der Brücke über die Murach, einen Büchsenschuss vom Dorf entfernt, versperrte Hans Thomas mit seinen Grundholden den Weg. Pfarrer Wolf grüßte freundlich und brachte nochmals sein Begehren vor. Mit

» Poltern und Schnarchen«

und noch gemeineren Schimpfnamen lehnte Hans Thomas ab. Der Junker habe sogar

»mit dem bei sich habenden Stecken dreimal nach ihm gezuckt«,

doch Pfarrer Wolf ließ sich nicht abschrecken. Er sprach nun zur Gemeinde, dieses Benehmen sei weder lutherisch noch calvinisch, sondern gar türkisch. Er forderte die Gemeinde auf, sich im Angesichte der Gnadenkirche niederzuknien. Hans Thomas hat während des Gebets

»ein Gestör und Gelächter getrieben, der Mutter Gottes Namen verachtet, so dass teilweise seine Untertanen selbst bei dem Gebet geweint und zweifelsohne über ihres Junkers Unfug ein Mißfallen getragen.«

Der 17. Januar 1628 ist ein denkwürdiger Tag in der Kirchengeschichte Pertolzhofens. Der Kurfürst wollte die Öffnung der Wallfahrtskirche, wenn nötig, mit Gewalt erzwingen. Pfleger, Pfarrer Wolf und einige Bewaffnete erschienen im Dorfe und verlangten im Schlosse die Herausgabe der Schlüssel. Hans Thomas war nicht anwesend. Der jüngere Sohn des Junkers verweigerte die Herausgabe des Schlüssels. Da entschloss sich der Pfleger, Gewalt anzuwenden. Die mit Schießgewehren bewaffneten Männer umstanden den Eingang, während die Türe aufgesprengt wurde. Der Pfleger schützte die Aktion mit vorgehaltener Pistole. Dann betraten die Oberviechtacher das Marienkirchlein, und Pfarrer Wolf las nach über 70 Jahren wieder eine katholische Messe vor dem Gnadenbild. Die Wallfahrt zum gotischen Gnadenbild auf dem Flügelaltar nahm weiter zu. Bis aus Böhmen sollen die Wallfahrer gekommen sein. Das kleine Kirchlein konnte die Wallfahrer nicht mehr fassen. Deshalb entschloss sich der letzte Bertoldshofer, eine große Wallfahrtskirche bauen zu lassen. Das Gesuch an den Bischof von Regensburg ist im Diözesanarchiv Regensburg erhalten. Am 20. April 1697 schrieb Kaplan Wenhardt vom Dekanat Nabburg an den Bischof:

»Das Kürchlein des Friedrich Ludwig von Bertoldshofen ist an heiligen Frauenfesten bei ankommender Menge des Volks gar zu eng und klein«.

Die Baulast trage zum großen Teil der Hofmarksherr, außerdem seien daselbst Kirchenmittel zum Bau vorhanden. Am 4. Mai 1697 gab der Bischof an das Dekanat Nabburg die Genehmigung zum Bau.

Den Höhepunkt der Wallfahrt bildete das 100. Jubiläum des Kirchenbaus, zu dem Papst Pius Vl. einen Ablass erlassen hatte. 24000! Kommunionen sollen innerhalb von 14 Tagen ausgeteilt worden sein. Eine Vorstellung vom Jubiläum gibt die Verkündigung, welche in den Kirchen der weiten Umgebung verlesen wurde: » Verkündigung. Gegenwärtiges laufendes 1799te ist auch zugleich das Jubel- oder hundertste Jahr von wiederumiger Erbauung des Löblichen Marianischen Wallfahrtsgotteshauses zu Bertholdshofen. Dieses hohe Andenken nun mit all aus dem Lande möglicher Feierlichkeit zur Vergrößerung der Ehre der seligsten jungfräulichen Mutter Mariens und mehrerer Beförderung des christgläubigen Seelenheils zu begehen, wird in besagter löblicher Wallfahrtskirche von dem letzten Sonntag gegenwärtigen Monats September oder dem Fest Michaelis angefangen bis auf den ersten Sonntag Oktobris inclusi jeden Tags in der Frühe um 7 Uhr eine Hl. Meß, um 9 Uhr Hochamt und Predigt, nach denselben abermal eine heil. Meß, und Nachmittags um 2 Uhr eine solemne Lytanei, den letzten Tag aber zum Beschluß das Tedeum und Prozession gehalten werden; zu mehrerer Beförderung dieser frommen Absicht haben auch S. päpstl. Heiligkeit Pius der Sechste nicht nur allen Christgläubigen diese ganze Oktav hindurch nach abgelegter reumütiger Beicht, empfangener Kommunion, und allda nach Meinung der Christkatholischen Kürche verrichtetem Gebet mit 7 Vaterunser und Ave Maria, dann dem christl. Glauben hier in dem Tag einen Vollkommenen Ablass gnädigst verliehen, sondern auch den Beichtvätern ihre Gewalt dermaßen extendiert, dass selbe wie zur Zeit eines anderen Jubilaei sowohl die einfache Gelübde der Beichtenden in andere gottgefällige Werke umändern, als auch von allen, und in den Sünden zensüren, und kanonischen Strafen, selbst jenen, welche sonst nur dem apostolischen Stuhle vorbehalten waren Vollkommene Lossprechung erteilen können.

An welch großen Gnaden Schatz Teil zu nehmen alle und jede nach Standes gebühr freundlichst berufen und eingeladen werden.« Die Gründe für den Untergang der blühenden Wallfahrt im 17. und 18. Jh. sind in der wallfahrtsfeindlichen Politik des Grafen Montgelas und die Verflachung der Religiösität in dieser Zeit zu vermuten. Um so schöner ist es, dass in unserer moderen und kurzlebigen Zeit wimmer mehr Wanderer, Radfahrer und sonstige Reiselustige unsere wunderschöne Marienwallfahrtskirche besuchen.

Geschichte von Pertolzhofen

Um es gleich vorweg zu nehmen, das Alter des Ortes kann nicht eindeutig bestimmt werden. Indirekt ergeben sich jedoch aufgrund des Ortsnamens Hinweise auf das Alter der Ortschaft. Demnach dürfte die Gründung im 8 Jahrhundert stattgefunden haben. Diese erste Siedlung entwickelte sich von der rein agrarisch ausgerichteten Siedlungsform zum Herrschafts bzw. Hofmarksdorf. Ursprünglich waren alle Bewohner des Dorfes als Bedienstete, Handwerker oder Gewerbetreibende direkt mit dem Herrschaftssitz verbunden, so dass sich eine gemischt bäuerlich – gewerblich – handwerkliche Struktur entwickelte. Pertolzhofen wird hierfür in Fachbüchern immer wieder als Beispiel angeführt. Genauere Hinweise findet man zum Alter des örtlichen Adelsgeschlecht. Hierzu steht auf einer Grabtafel in der Wallfahrtskirche: 1714 starb Friedrich Ludwig von und zu Pertolzhofen, der letzte des Namens und Geschlechts der Pertolzhofener, welche anno 1109 von den Sensheimischen abstammen. Diese Angaben werden durch eine Urkunde aus dem Jahr 1629 nochmals belegt. Der romanische Kirchturm wurde auch in dieser Zeit erbaut und bestätigt damit indirekt das Alter der Ortschaft bzw. des Adelsgeschlechts. Der imposante Turm mit seinen mächtigen Steinquadern ist somit das älteste Bauwerk in der Gemeinde Niedermurach. Zu einer besonderen, fast einzigartigen Rarität in der gesamten Oberpfalz zählt der romanische Taufstein in der Expositurkirche Pertolzhofen. Wichtigstes Kennzeichen einer Hofmark war die Niedergerichtsbarkeit. Ursprünglich ruhte sie nur auf jenen Gütern, worüber sie die Adeligen hergebracht hatten, und die Hofmark waren. Pfalzgraf Ludwig verlieh 1579 allen oberpfälzischen Landsassen dieses Recht 4. Hatte Pertolzhofen vor dieser Resolution die niedere Gerichtsbarkeit? 1567 wies Churfürst Friedrich die Hofmarksansprüche Gabriels von Bertoldshofen zurück: gestattet man auch Gabrieln von Bertlshoven der angemaßten Hofmark zu Bertlshoven nit, und weiß ermelter von Bertlshoven selbst, daß Ime und seinen Vorfahrn auf gleichmessig Ansuchen zu mehrmals die Beweisung uferlegt, die Er noch Sie nit geleistet, derwegen mein gnädigster Herr seine eigene Gericht, so sein Churfürstl. Gnaden yderzeit zu Bertlshoven hergebracht, nit begeben kann.

Diese Resolution belegt, dass Pertolzhofen seit Generationen behauptete, Hofmark zu sein. Warum bewiesen die Herrn von Bertoldshofen ihre Recht nicht? Eine schriftliche Verleihung der Hofmarksprivilegien in der Oberpfalz hat im 15. und frühen 16. Jahrhundert selten stattgefunden. In der Oberpfalz gab es kein Standesprivileg vor 1527. Da viele Adelige auch die Dorfobrigkeit an sich bringen konnten besaßen sie die Niedergerichtsbarkeit auf Gasse und Gemarkung. Diese Voraussetzungen waren für
Pertolzhofen gegeben. Die Bertoldshofer sind seit 1109 als Grundherrn nachweisbar. Sie waren in freieigenem Besitz des Dorfes. Es gab nie eine fremde Adelsherrschaft über einen Einwohner des Dorfes; alle waren Untertanen der Bertoldshofer Grundherrschaft. Es gehörte zur Praxis der kurpfälzischen Pfleger, Rechte der Landsassen anzuzweifeln, landesherrliche Ansprüche auszudehnen und Schwächen des Adels auszunützen. 1567 beschwerte sich die Ritterschaft, dass "die Pfleger und Ambtleut das Wort Hoffmarck dermaßen disputieren, das denen vom Adel kein oder wenig Niedergerichtsbarkeit bleibe". Im Falle Pertolzhofens ist ein Vordringen der Macht des Amtes (Haus) Murach durchaus vorstellbar. Stefan Bertoldshofer, der sich als Pfleger zu Nabburg (1400), Pfleger zu Tennesberg (1404), Landrichter zu Lengenfeld (1408), Landrichter zu Amberg (1410) Richter zu Nabburg (1417), Richter zu Vohburg (1422) im Dienste seines Landesherrn eingesetzt hatte, erwarb 1419 auch den Adelssitz Fronhofen, 3 km von Pertolzhofen entfernt . Seine Nachkommen verlegten mehrere Jahrzehnte ihren Wohnsitz nach Fronhofen. Balthasar Bertoldshofer griff entscheidend im Kampf des Adels gegen den Bayernherzog Albrecht IV. ein. 1489 war er Gründungsmitglied des Löwenbundes in Cham. 1490 nahm König Wladislaw von Böhmen seine Besitzung Fronhof für 15 Jahre in seinen Schutz, am 6. Mai 1492 traf Balthasar Bertoldshofer als Abgesandter des Löwenbundes in Prag ein.

Der kurfürstliche Rat Dietrich von Plieningen schrieb darüber an Herzog Albrecht: hab ich unter anderen vermerkt wahrlichen Bericht, die Löwler haben um Hilfe geschrieben, und ist einer, genannt Balthasar Berchtoldshofer ein Landsaß der Pfalz, auch ein Löwler, von ihnen ausgefertigt gen Prag zu den Herrn von der Krone, Ursach zu melden, warum sie den nächsten Abschied nicht haben mögen annehme. Am 15. Mai 1492 sandte Balthasar dem Herzog von Bayern seinen Fehdebrief. Bei all diesen Vorgängen wurde stets nur der Wohnsitz des Löwlers, nicht sein übriger Besitz genannt oder ausdrücklich in den königlichen Schutz genommen. Die Löwler konnten schließlich der Machtausdehnung des Bayernherzogs gegenüber dem Adel Einhalt gebieten. Auch unter Joachim von Bertoldshofen blieb Fronhofen Wohnsitz. Joachim hatte fünf Söhne. Fronhofen übergab er seinem Sohn Raphael, Pertolzhofen erhielt Gabriel, Altendorf Sebastian. Erstmals 1545 wurde Pertolzhofen wieder als Wohnsitz eines Bertoldshofer von der Regierung bezeichnet. Aber Gabriel von Bertoldshofen hatte geringe Bewegungsfreiheit, er war aus uns unbekannten Gründen "verstrafft“ worden, verurteilt, daheimb zu bleiben in seinem Hauß; dem Bertoldshofer schreibt man nicht" (Einladungen zum Landtag). Erst 1563 wurde Gabriel von Bertoldshofen von der Regierung wieder angeschrieben. Weitere Rechte der Hofmark waren schon im 15. Jahrhundert das Braurecht und die Errichtung von Tafernen in der Hofmark, die sie mit eigenem Bier versorgten. Dabei kam es immer wieder zu Zusammenstößen mit den Städten und Märkten, die ihre eigenen Brau und Schenkstätten durch die Hofmarken gefährdet sahen. 1581 zerschlugen die Bürger von Oberviechtach das Braugeschirr zu Pullenried und schenkten das Bier auf dem Markt in Oberviechtach gratis aus. 1563 hatte der Leuchtenbergische Wirt in der Hofmark Niedermurach ein 4 eimeriges Faß Bier an den Wirt in Pertolzhofen verkauft, weil der dortige Bräumeister für Allerheiligen das notwendige Bier nicht fertiggebracht hatte.

Der Markt Oberviechtach beschwerte sich deshalb beim Pfleger des Amtes Murach, der den Wirt Schmid von Niedermurach mit 20 Gulden Strafe belegte: es sei gegen den Receß, einen Tropfen Bier außerhalb der Hofmark geschweige unter dem Reifen und fässerweis zu verschleißen. Der Markt Oberviechtach schickte drei Ratsherrn, begleitet vom Amtsverwalter und mehreren bewaffneten Amtsuntertanen nach Pertolzhofen, um das gelieferte Fass Bier zu beschlagnahmen. Es kam zuerst zu einem Streit im Schloss zwischen dem Hofmarksherrn und den Räten; dann wollten die Oberviechtacher das Fass mit Gewalt herausholen. Der Sohn des Hofmarksherrn Hans Sigmund hatte sich bewaffnet und besetzte die Wirtsstube, wo er durch ein Fenster mit einer "Khandel unter die umstehenden Amtsverwandten geworfen unzelichen grossen Muetwillens sich beflissen". Sein Vater Gabriel von Bertoldshofen und der anwesende Bertoldshofer auf Altendorf aber retteten das Fass Bier durch eine kühne Geiselnahme: sie zogen den Amtsverwandten Jörgen Thannschein vom Berg Murach zur Seite der Alte setzte ihm das Püchsenrohr mit überzogenem Hammer auf die Brust und drohte ihn zu erschießen, wenn die Oberviechtacher Gewalt anwenden sollten. So zogen die Oberviechtacher unverrichteter Dinge ab. 1534 wurde die Ausübung des Braurechts und der Taferne nur denen zugestanden, die es bisher innehatten; 1579 verbot Pfalzgraf Ludwig allen Adeligen, dieses Privileg in Anspruch zu nehmen, die es 1534 nicht besaßen Pertolzhofen hatte in dieser Zeit das Braurecht und die Taferne. Auf dem Landtag 1567 erging folgende churfürstliche Resolution: Uf Gabriel von Bertelshovens Beschwerdt, der Pfleger von Murach den Kindbetterin und Hirten gestatten soll, zu 12. 18. 24. Aimer Birs seiner Tafern zu Bertelshoven zu Nachtheil einzulegen, will seine Churfürstl. Gnaden Bevelch thun, das es hierinn, vermög der Mandaten, und itziger verfaßten Polizey und Landordnung gehalten werde . Es ist ein altes Entgegenkommen des Landesfürsten, den Kindbetterinnen zu genehmigen, Bier im eigenen Haus einzulegen (zur Stärkung der jungen Mutter und wohl auch zur Tauffeier). Das Ungeldbuch des Amtes (Haus-) Murach bestätigt ausdrücklich die Abrechnung des Bertlzhofers "Laut dem Zettl" 1559 wird damit die Bezeichnung "Hofmark" für Pertolzhofen auch amtlich nachgewiesen; den Rechtsverhältnissen entsprechend könnte das Recht der ehaften Taferne zu Pertolzhofen älter sein als das Marktrecht von Oberviechtach (1337). Das Salbuch Pertolzhofen 1732 und die Anzeige über Unterthanen, Gerechtigkeiten und Gelder 1791 belegen auch weiterhin Bräurechte und Taferne. Das Brauhaus Pertolzhofen wurde 1924 abgerissen, die Schloßschenke besteht heute noch. Als Rechte der Hofmarken werden neben der niederen Gerichtsbarkeit angegeben: alle Ehaften als Tafernen, Mühlen, Bad etc. und die Festsetzung der Handwerke. 1630 werden für die Hofmark Pertolzhofen folgende Handwerke und Ehafte belegt: eine Tafern 80 f, eine Schmidstatt 50 f, eine Badstuben 50 f, item ein Weberhäusl 20 f, ein Müll beim Schloß 400 f, Georg Lehner Schuster, Michael Leutheiß Schneider. Unter den letzten Bertoldshofern wurde zwischen 1661 und 1714 ein Waffenhammer in Pertolzhofen erbaut. Er wird im Salbuch 1732 unter dem Hofmarksuntertanen aufgezählt: "Obernberger besitzt die hiesige Waffenschmidt ohne habendes Feld oder Wiesmahd, hat auch kein ander Gründt sein aign, außer wo seine Gepäu, so weit diese umstangt stehen, und hat die vorige Herrschaft ein kleines Gartl hinzu zu kaufen gegeben wie auch ein Platzl zu einem Keller. Zinst 6 fl. Dagegen ist er aller Scharwerk und Einquartierung sowohl die Standquartier betreffend befreyt. Jedoch muß er der Herrschaft die bedürftigen Waffen umb einen leidlichen Wert zukommen lassen. Auch müssen sich alle Waffenschmieds Hausgenossen des Fischens und Krebsens im herrschaftlichen Bach, also auch seiner Wasser, Wöhr und Radstuben bei Straf 5 fl allerdings enthalten".

1591 kämpfte Hans Sigmund von Bertoldshofen gegen eine Geschäftsschädigung seiner Hofmarksschmiede. Die Bauern des Dorfes Wagnern, die verschiedenen Herrschaften unterstanden, kauften gemeinsam das Haus eines Hirten und richteten dort eine Schmiede ein. Über den Pfleger erreichte die ganze "gemain" einen Erbbrief. Der Zins von jährlich 2 ß 2 hl weißer Münz samt einer Fastnachtshenne sollte an die Kurpfalz gehen; Mannschaft, Reiß, Steuer und Scharwerk standen ebenfalls dem Pfleger zu. Als wirklich ein Schmied in Wagnern aufzog, beschwerte sich Hans Sigmund von Bertoldshofen beim Landesherrn: Das ist wider alles Herkommen, da seit Menschengedenken in Wagnern keine Schmiede gewesen. Dies läuft auch einer Resolution des Pfalzgrafen Ludwig zuwider und ist mir und meiner Hofmarck zum höchsten beschwerlich und nachteilig. Die Stände forderten in dieser Zeit, Mandate sollten festlegen, dass sich keine Handwerkerin Dörfern außerhalb der Hofmarken niederlassen. Die Ansiedlung von Handwerkern sollte außerhalb der Städte nur in Hofmarken erlaubt sein. In der folgenden Auseinandersetzung wurde das Hofmarksrecht des Bertoldshofers weder von der Regierung, noch vom Pfleger in Frage gestellt. Der Bertoldshofer bekam aber auch nicht recht, weil die Schmiede auf pfälzischem Grund und mit Genehmigung der Regierung errichtet worden war. Hans Sigmund verbot zuerst seinen 2 Untertanen in Wagnern und den 3 Niedermurachischen Untertanen, über die er als Vormund des dortigen unerwachsenenHofmarkserben Macht hatte, die Schmiede in Wagnern zu besuchen. "Das muß man geschehen lassen", meinte der Pfleger. Doch 1592 überschritt der Bertoldshofer seine Befugnisse: er ritt selbst nach Wagnern, drang in Abwesenheit des Schmieds in dessen Werkstatt ein und "hat mit dem Dolchen freventlich muetwilliger weis den Blasbalg durchstochen." Die Regierung verlangte vom Bertoldshofer, den auf churfürstlichem Grund und Boden angerichteten Schaden zu ersetzen und zitierte Hans Sigmund zur Verantwortung vor die Regierung in Amberg.

Die Tafern in Pertolzhofen durfte laut Salbuch 1732 auch die Flaischbank genießen und mußte von jedem geschlachteten Rind die Zunge der Herrschaft geben. Auch die Fragnerund Beckensgerechtigkeit ist auf diesem Hause belegt. Im Ort bestand auch eine Ziegelhütte. Im Salbuch 1732 heißt es: Item ober dem Schloß uff der Tratt ist ein Uhralt berechtigtes Ziegl Heisl unweit des Herrschaftlichen so genannten Hirtenackers. Diese Ziegelhütte ist auch in die Hand-Scharwerk einbezogen: "Wenn an dem Schloß oder Hofgepäu etwas gebaut wird, müssen die sämtlich Unterthanen dahin ohne Geld die Handt-Scharwerk verrichten. Wobey auch die Sommer- und Winterkeller, herrschaftliche Bedientenhäuser, Bräuhaus und Ziegelhütte zu verstehen . Zur Hofmark gehörten zwei Mühlen die Schwabenmühle (ein Achtel Hof mit einer reellen Mühlgerechtsame, die Schwabenmühl genannt) Zinst 3 f 15 kr wegen Schweinemastung, und 3 f wegen Handscharwerkdienst und zehentfrei. Grundzinsbar zur Kirche Pertolzhofen die Herrenmühle (ein Sechzehntelhof samt reeller Mühlengerechtsame, die Herrenmühl genannt). 1732: auch sind die 2 Müller und der Wirt zum Handscharwerk beim Schloßbau verpflichtet. Eine Mühle ist bereits 1465 belegt. Für die Haltung eines Kaplans in Niedermurach, der die Filiale Pertolzhofen versehen soll, mußten jährlich vier Pfund Regensburger Silberpfennige aufgebracht werden (wie von alters Brauch!) Die Zechleute von Pertolzhofen hoben den Zins von 1 1/2 Höfen zu Schönthann, einem Hof zu Wagnern und der Mühle zu Pertolzhofen ein.

Die Badstube ist für Pertolzhofen zwischen 1563 und 1802 belegt. 1579 erhielten alle Landsassen der Kurpfalz das Recht, dass sie auf den Landgerichtischen Gründen einen Vogelherd zurichten, einen Hasen, Fuchs, Rebhuhn fahen, und einen Antvogel auf einem Weyer zu Besserung ihrer Tafel schießen und also den kleinen Wildbann zu rechter Zeit, "weydmännisch, bescheidentlich zu gebrauchen Macht haben".Die niedrige Jagd der Bertoldshofer wird 1587 sichtbar.1607 kam es zwischen Hans Thomas von Bertoldshofen und seinen Bauern im Dorfe Wagnern zu einem Streit wegen der Scharwerk und harter Bestrafung eines unbotmäßigen Untertanen durch den Hofmarksherrn. In diesem Streit spielten auch die Jagdrechte des Bertoldshofers eine Rolle. Er beklagte sich, daß die Bauern von Wagnern zum jagen nur ihre Buben schicken. Die Bauern ihrerseits beschwerten sich bei der Regierung, weil Hans Thomas ihnen wieder auferlegte, Jagdhunde für ihn zu halten. Beide Parteien verwiesen auf einen Receß von 1587. Damals war den Bauern von Wagnern das Halten von Jagdhunden für den Bertoldshofer erlassen worden . 1798 schrieb das Bezirksamt Neunburg v.W.: Die Pertolzhofer haben die kleine Jagd im Hüttenschlag, welches ein von uralten Zeiten eingewiesener Jagdbogen ist. Bis 1807 mußten eine Reihe von Bauern für den Hofmarksherrn je ein Achtel Hundshafer als jährliche Abgabe zahlen (1 Bauer aus Vokkendorf, 1 aus Rottendorf, 5 aus Wagnern, je einer aus Braunsried und Höflarn).

Die Bertoldshofer hatten auch das Patronatsrecht über die Wallfahrtskirche: Im Dorf allda befindet sich ein Marianisch Filial Gotts Hauß, dann ein von vorgemelter Herrschaft mither neuerpaute Capelle des hl. Johann Nepomuk, warbey ein hiesiger Herrschaft das ius patronatus und all andere Vorfallenheiten, dann alljährlich aufnamb der Kirchenrechnungen zu gaudieren hat. Diese Rechte sind bis ins Mittelalter zurückzuverfolgen. Ein Vorfall im Dorfe Wagnern zeigt die Stellung des Bertoldshofers als Hofmarksherrn. Pfleger Zwick vom Amt Murach schrieb, er habe im Amt Murach ein Dorf, Wagnern genannt, in welchem er von Amts halben alle Hohe Gerichtsbarkeit, die Hauptmannschaft, Hirtenstab und Gemeinherrschaft sambt sechs Untertanen zum Amt gehörig besitze. Hans Sigmund von Bertoldshofen hat zween, Otto von Ebleben (auf Thannstein) einen, die Niedermurachische Vormundschaft drei Huben und auf denselben über ihre Untertanen laut Resolution allein die Niedergerichtsbarkeit! Ein Pfälzer Untertan hatte nun je 1 1/2 Tagwerk Wiesen und Acker eingezäunt und so der gemeinsamen Viehweide auf der Brache entzogen. Die gesamte Gemain strengte daher beim Pfleger einen Rechtsstreit an, und als dieser zu langsam vorankam, zogen die Bauern am 5. Okt. 1590 hinaus und "haben den Gartenzaun zerschlagen und verwüstet". Pfleger Zwick verklagte sie deshalb wegen Landfriedensbruch.

Die Hofmarkischen suchten und fanden Schutz bei Hans Sigmund von Bertoldshofen (er war auch Vormund des Niedermurachers). Zum Gerichtstermin erschienen nur die pfälzischen Amtsangehörigen. Zwick beschwerte sich bei der Regierung, die Hofmarksherrn seien angeschrieben worden, hätten aber ihre Bauern nicht gestellt. Der Pfleger fragte beim Vitzthum an, ob er die Ubeltäter mit Gewalt herbeischaffen solle. Der Kanzler antwortete, er solle die Hofmarksherrn nochmals ersuchen, sie zu stellen. Der Bertoldshofer konnte schließlich durchsetzen, dass die Bauern von Wagnern nicht bestraft wurden. Nach einem Augenschein kam ein Kompromiß zustande: der Amtsverwandte durfte seinen Sambgarten wieder einzäunen, mußte ihn jedoch alle drei Jahre während der Brache öffnen. Dieser Rechtsstreit von 1590 zeigt eindeutig, dass Pertolzhofen Hofmark war und das Recht der Ergreifung von Delinquenten, der ersten Kognition und der triduae detentionis hatte. Hans Sigmund von Bertholdshofen hätte als Hofmarksherr die Delinquenten ergreifen und ausliefern müssen, er nahm die erste Kognition vor und erkannte den Tatbestand des Landfriedensbruchs nicht an. Von 1109 bis 1732 besaßen die Herren von Pertolzhofen Schloß und Dorf. Johanna Sybilla von und zu Bertoldshofen, die Tochter des letzten Herrn von Bertoldshofen brachte das Gut ihrem Gemahl Freidrich von Satzenhofen. 1732 erbte es dessen Sohn Graf Carl Martin Ferdinand von Satzenhofen und Brod, Churkölnischer Generalmajor. Letzter Verwalter war bis Michael von Gradl. Die niedere Gerichtsbarkeit wurde von einem Hofmarksrichter ausgeübt. Am 21.Juli 1801 war der Geburtstag der politischen Gemeinde Pertolzhofen. Die Hofmarksherrschaft war nach fast 700 Jahren zu Ende.